Eichi´s Adventkalender - 10. Dezember
Auch heute geht es in der Geschichte wieder um die Liebe - sie kann Wunder bewirken...
In der Nacht war Schnee gefallen und dann hatte es gefroren. Der Straßenkehrer zog sich wärmer an als sonst: mti der roten Pudelmütze, dem langen, blauen Wollschal und den dicken, roten Handschuhen. Leider hatten die Motten große Löcher hineingefressen; so schauten an beiden Händen die Daumen heraus und an der linken Hand auch noch der Zeigefinger. Traurig betrachtete der Straßenkehrer die nackten Finger, während er zur Winterstraße ging. Heute brauchte er noch keine Schneeschaufel, aber wenn es weiter schneite, würde er mit dem Besen allein nicht mehr auskommen. Während er so die Straße kehrte, sah er auf einmal etwa im Schnee glitzern, etwas Silbernes. Zwar leuchtete der Schnee selber wie Silber, aber das Etwas glitzerte noch viel heller. Es war ein langer, silberner Faden, den der Straßenkehrer aufhob. "Engelshaar", sagte er andächtig, "das Haar von einem Engel!" Und er wickelte das schimmernde Haar um seinen linken Zeigefinger, der am meisten fror. Das Engelshaar sah wunderhübsch aus - und es wärmte! Nicht nur der Zeigefinger wurde warm, sondern die ganze linke Hand.
"Guten Morgen, Straßenkehrer", rief Frau Wunderbar, vor deren Garten er das Engelshaar gefunden hatte. Sie war zu ihrem Vogelhäuschen unterwegs, um den Meisen und Spatzen Futter zu bringen. "Was hast du da Hübsches am Finger?" "Engelshaar", sagte der Straßenkehrer stolz. "Jetzt macht es mir überhaupt nichts mehr aus, dass meine Handschuhe Löcher haben." Frau Wunderbar lächellte ihm freundlich zu. Dann ging sie ins Haus zurück, holte rote Wolle und Stricknadeln aus der Schublade und fing an, dem Straßenkehrer neue Handschuhe zu stricken. Sicher hat das der Engel so gemeint, dachte sie, als er sein Haar genau vor meinen Garten legte.
Inzwischen kehrte der Straßenkehrer weiter die Winterstraße. Ab und zu blieb er stehen und betrachtete glücklich seinen linken Zeigefinger. Da kam die alter Zeitungsfrau vorbei. Sie trug ihre Hände in die Schürze gewickelt, weil sie ihre Handschuhe verloren hatte. "Frierst du?", fragt sie der Straßenkehrer. Die alte Zeitungsfrau nickte. Der Straßenkehrer zögerte einen Augenblick, dann löste er das Engelshaar von seinem linken Zeigefinger und gab es der Zeitungsfrau. "Du musst es um deine Hand wickeln", sagte er, "dann frierst du nicht mehr." Und merkwürdig! Nicht nur die Hände der alten Zeitungsfrau wurden warm - auch die des Straßenkehrers blieben es, ja, sie wurden sogar noch wärmer, als sie es gewesen waren.
Eva Marder